Einleitende Gedanken: Warum ein Hauskonzert performativ sein kann
Ein Hauskonzert ist für mich nicht nur eine intime Aufführung an einem ungewöhnlichen Ort — es ist eine Möglichkeit, Bild und Ton so zu verweben, dass der Raum selbst zum Instrument wird. In solchen Formaten darf alles schemenhaft bleiben: die Grenze zwischen Publikum und Akteur, zwischen Bildbetrachter*in und Zuhörer*in. Ich suche bewusst nach kleinen Rissen in der Erwartungshaltung, nach Momenten, in denen ein Foto wie ein Ton klingt und ein Ton ein Bild hervorruft.
Den Raum lesen: Vorbereitung vor Ort
Bevor ich überhaupt an Technik denke, betrete ich den Raum ohne Gerät und mit offenen Sinnen. Ich achte auf:
- Akustik: harte Flächen, Teppiche, Vorhänge — wie lange hallt ein Klang nach?
- Wege: wo betritt das Publikum den Raum, wo sitzt es, wo lässt sich ein Bild installieren?
- Lichtquellen: Fenster, Lampen, mögliche Schattenflächen.
- Gerüche und Temperaturen — auch sie prägen die Wahrnehmung.
Diese erste Begehung entscheidet häufig, ob ich mit projektierten Bildern arbeite, mit handlichen Bildtafeln, oder ob ich lieber mit Projektionen auf unperfekte Oberflächen spiele, die das Bild „verschleiern“ und synästhetische Spannung erzeugen.
Eine performative Dramaturgie entwerfen
Ein performatives Hauskonzert braucht keine klassische Setlist, es braucht eine Dramaturgie. Ich arbeite gern mit drei Akten, die einander atmosphärisch antworten:
- Eröffnen: ruhige, detailreiche Bilder, nahe Mikrofonaufnahmen, leise Textfragmente.
- Verdichtung: Schichtungen von Klang und Bild, kleine Interrupts, performative Gesten.
- Auflösung: Reduktion auf eine Geste, ein Bild, einen Ton als letzte „Leerstelle“.
Zwischen den Akten können kurze, gesprochene Einspielungen stehen — keine Erklärung, eher Einladung: ein Satz, der den Fokus lenkt. Ich nenne das »synästhetische Anreißen«: suggestive Hinweise statt didaktischer Erläuterungen.
Bildstrategien: Wie Bilder klingen können
Für die visuelle Ebene bevorzuge ich Arbeiten, die nicht zu eindeutig sind. Das können Schwarz-Weiß-Fotografien mit viel Körnung, Polaroids, analoge Streifen oder slow-motion Video-Loops sein. Techniken, die ich nutze:
- Layering: Mehrere Bilder überlagern und mit Transparenz spielen, entweder in der Projektion oder als physische Folien.
- Analoges Material: Dias oder Polaroids erzeugen eine Haptik, die digital schwer zu imitieren ist.
- Bewegte Elemente: Ein einfacher Motor oder ein Leuchtkasten gibt statischen Bildern rhythmische Bewegungen.
Bei Projektionen setze ich gern kleine Fehler ein — etwa ein leichtes Versetzen der Ebenen oder eine unfokussierte Linse. Diese ‹Unschärfe› schafft Raum für Klanginterpretationen.
Klangstrategien: Vom Found Sound zur performativen Geste
Klang ist bei mir selten nur Musik. Es sind Feldaufnahmen, das Rascheln von Papier, das Atmen, Kontaktmikrofon-Aufnahmen von Objekten oder performative Sprachfragmente. Tools, die ich regelmäßig benutze: Zoom H4n / H6 für Feldaufnahmen, Kontaktmikrofone (z. B. K&K), kleine Sampler oder Ableton/ Reaper für Live-Loops.
Wichtig ist die Balance zwischen Kontrolle und Zufall. Ich bereite Loops und Texturen vor, lasse aber Raum für Live-Interventionen: ein Ton, der nicht genau sitzt, ein Mikro, das ein plötzliches Geräusch einfängt — diese Unplanbarkeit macht das Erlebnis lebendig.
Die Verbindung herstellen: Technik und Praxis
Die eigentliche Kunst besteht darin, Bild und Ton so zu koppeln, dass sie sich gegenseitig aufladen, ohne einander zu erklären. Praktische Vorgehensweise:
- Sync ist nicht zwingend: Ich arbeite selten mit exakter Synchronisation. Zeitliche Nähe und inhaltliche Verwandtschaft genügen.
- Live-Trigger: Ein einfacher MIDI-Controller (z. B. Novation Launchpad) oder ein Fußschalter kann visuelle Clips starten, während ich Klänge manipuliere.
- Raumklang: Stereo ist oft genug, aber für tiefere Immersion nutze ich leicht versetzte Lautsprecher oder ein kleines Surround-Setup.
Wenn ich projiziere, verbinde ich meinen Laptop mit einem Beamer (auch ein günstiger LED-Beamer kann gut funktionieren). Für Audio nutze ich häufig einen kompakten PA wie das Yamaha StagePas oder zwei aktive Lautsprecher (z. B. KRK Rokit). Das Ziel ist kein High-End-Konzert, sondern ein Körper von Klang, der den Raum füllt.
Publikum und Interaktion: Nähe erzeugen
In einem Hauskonzert ist die Nähe entscheidend: Publikum sitzt oft sehr nah an den Quellen. Ich lege Wert auf folgende Elemente:
- Seating: Bodenpolster, Stühle in Cluster-Anordnungen — keine Reihen. Das verändert Blickwinkel und Hörerfahrung.
- Instruktionen: Kurz und offen — z. B. „Wenn Sie möchten, schließen Sie die Augen für den nächsten Teil“ statt „Jetzt kommt ein Stück“. Freiwilligkeit ist zentral.
- Partizipation: Manche Sequenzen sind als leise Mitmach-Performances angelegt — ein Blatt Papier wird weitergegeben, ein Körpergeräusch aufgenommen.
Ich bitte das Publikum selten, Fotos zu machen; lieber lade ich zur sinnlichen Präsenz ein. Wenn Dokumentation gewünscht ist, definiere ich kurze, klare Regeln.
Praktische Checkliste & Equipment (einfach gehalten)
| Equipment | Wozu |
|---|---|
| Beamer / LED-Projektor | Projektionen, Video-Loops |
| Laptop mit Ableton/Reaper | Playback, Live-Manipulation, Trigger |
| Zoom H4n/H6 | Feldaufnahmen, Stereo-Backup |
| Kontaktmikrofone | Objektklänge live einfangen |
| Aktive Lautsprecher / kleines PA | Raumbeschallung |
| Stühle/Polster, Diffuses Licht | Sitzkomfort, Atmosphärengestaltung |
Rehearsal & Flexibilität
Ich probe meine Konzepte am liebsten einmal vollständig im Raum. Dabei teste ich verschiedene Projektionen, verschiebe Lautsprecherpositionen und notiere spontane Ideen. Trotzdem plane ich immer ein, dass am Abend selbst etwas anderes besser funktioniert — und lasse Platz für Improvisation. Die Fähigkeit zuzuhören — dem Raum, dem Publikum, dem Material — ist eine Performance-Fähigkeit wie jede andere.
Ein paar kleine Rituale, die helfen
- Warm-up: Kurzes akustisches Warm-up vor Türöffnung — oft eine leise Raumaufnahme, die sich langsam aufbaut.
- Anfangsritual: Ein aktiver Fokus-Moment, z. B. Kerzen ausblasen oder ein gemeinsames Atmen.
- Dokumentationsmoment: Am Ende frage ich nach einem Freiwilligen für eine kurze Audio- oder Fotoaufnahme als Erinnerung.
Hauskonzerte sind kurze, kostbare Ökonomien von Aufmerksamkeit. Wenn ich Bild und Ton verwebe, suche ich immer nach der ‹kleinen Störung›, nach dem Moment, in dem die Sinne neu ordnen und etwas Unerwartetes entsteht. Das Resultat soll kein fertiges Narrativ liefern, sondern eine Atmosphäre, die bleibt.