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Rezension: Warum der neue Modular-Synthesizer von MakeNoise nach Nebel klingt

Rezension: Warum der neue Modular-Synthesizer von MakeNoise nach Nebel klingt

Als ich das erste Mal die Modulreihe von Make Noise auf meinem Tisch ausbreitete, dachte ich an Nebel: an etwas, das Form annimmt und zugleich durchlässig bleibt, an eine Präsenz, die die Konturen verwischt, bevor sie sich wieder neu ordnet. Der neue Modular-Synthesizer von MakeNoise klingt tatsächlich nach Nebel — nicht im Sinne eines simplen Effekts, sondern als Zustandsbeschreibung: diffus, schichtbar, intim. In diesem Text versuche ich, diese Erfahrung zu übersetzen — zwischen Klang und Bild, zwischen technischer Beschreibung und poetischem Eindruck.

Warum „Nebel“ als Klangmetapher?

Nebel ist für mich weniger ein visualisierbares Objekt als ein atmosphärisches Phänomen: er dämpft, erzeugt Tiefe, lässt Formen auftauchen und wieder verschwinden. Genau das macht der neue MakeNoise in meinem Setup. Die Module bieten fließende Hüllkurven, granulare Texturen und komplexe Modulationen, die weniger auf percussive Punchlines abzielen als auf das Ausformen von Räumen. Das Resultat ist eine akustische Landschaft, in der sich Klänge wie Lichtfetzen durch Dunstschichten bewegen.

Im Vergleich zu klassischen digitalen Synthesizern, die oft auf klare Parameter und reproduzierbare Ergebnisse setzen, ist dieses System darauf ausgelegt, Überraschungen zu produzieren. Man stellt einen Pfad ein — und der Klang entwickelt Eigenschaften, die man beim ersten Patchen nicht vollständig vorhersehen konnte. Diese Unvorhersehbarkeit ist für mich ein wichtiger Teil der „nebligen“ Ästhetik.

Erster Eindruck: Haptik, Interface, Workflow

Die physischen Module sind robust, mit einem haptischen Gewicht, das Vertrauen schafft. Die Potis haben Widerstand, die Patchkabel sitzen fest — alles wirkt so, als wäre der Synthesizer dafür gebaut, lange Experimente zu tragen. Besonders wichtig ist der Workflow: MakeNoise gestaltet Signale als miteinander verwobene Prozesse statt als linear ablaufende Ketten. Das lädt dazu ein, Routinen aufzubrechen und mit Rückkopplungen, CV-Quellen und subtilen Mikro-Modulationen zu arbeiten.

  • Haptik: angenehme Potis, klare Beschriftungen, solide Verarbeitung.
  • Patch-Philosophie: modular als Raum, nicht als Instrument mit festen Abschnitten.
  • Lernkurve: steil, aber lohnend — besonders für jene, die Freude an Experimenten haben.

Klangcharakter: Textur, Bewegung, Farbe

Was mich am meisten fasziniert, ist die Art, wie das Gerät Textur erzeugt. Die Oszillatoren sind nicht darauf getrimmt, harte Wellenformen zu liefern, sondern organische, leicht unberechenbare Signale. In Kombination mit den Filter- und Verzerrungsmodulen entstehen Schichten, die sich wie Nebelbänke übereinanderlegen: dichte, langsam wandernde Flächen; durchscheinende Ränder; punktuelle Auflösungen.

Einige klangliche Beobachtungen, die mir wichtig erschienen:

  • Die Module reagieren sehr schön auf kleine CV-Änderungen — aus einem konstanten Ton wird durch ein sanftes LFO-Rauschen ein atmender Klang.
  • Die integrierten Verzerrungsstufen fügen eher harmonische Komplexität als rohe Härte hinzu; sie sind hervorragend geeignet, um „alte“ Töne in der Ferne glänzen zu lassen.
  • Die Möglichkeiten zur Rückkopplung sind musical und absurd zugleich: mit Bedacht eingesetzt entstehen dronige Teppiche, bei stärkerer Übersteuerung jedoch überraschende, fast glitchartige Texturen.

Typische Anwendungsfelder — was lässt sich damit machen?

Der Synthesizer ist kein Alleskönner in dem Sinne, dass er klassische, strikte Leads oder extrem präzise FM-Algorithmen ersetzen würde. Seine Stärken liegen vielmehr in Bereichen, die für mich als Klangkünstlerin und Essayistin spannend sind:

  • Ambiente und Drone: Langsam sich entwickelnde Felder, ideal für Soundscapes.
  • Sounddesign für Bildprojekte: Texturen, die sich wunderbar mit Fotos und Video collagieren lassen.
  • Improvisation: dank modularer Offenheit entstehen im Live-Spiel oft unerwartete Momente.

Technische Eckdaten (Übersicht)

MerkmalBeschreibung
Oszillatorenmehrere analoge/semimodulare VCOs mit rauer Charakteristik
Filtervariable Resonanz, organisch klingende Flanken
CV/Routingreiche CV-Optionen, Feedback-Pfade, Quantisierung möglich
Effekteinterne Verzerrung, zeitbasierte Modulationen, leichter Hi-Res Reverb-Charakter
Formfaktoreurorack-kompatible Module, modular kombinierbar

Wie klingt es im Mix? — Praxisbeispiele

Ich habe einige kurze Szenarien durchgespielt, um die Einsatzmöglichkeiten zu testen:

  • Filmische Untermalung: Ein weicher Drone mit leichtem Bandpass-Filtern bildet eine Basis, darüber legt sich ein granuläres Element, das wie vorbeiziehende Wolken wirkt.
  • Fotokollage-Soundtrack: Für eine Serie von verrauschten Straßenaufnahmen habe ich kurze, pitch-verschobene Impulse erzeugt, die sich wie Echofetzen zwischen den Bildern bewegen.
  • Live-Set: In Kombination mit Field-Recordings entsteht ein Dialog zwischen natürlichem Rauschen und synthetischen Nebelschichten.

Was fragt sich die Community — FAQs

Viele, die mit modularer Technik anfangen oder ein neues Modul ins Auge fassen, stellen ähnliche Fragen. Ich beantworte hier einige, wie ich sie erlebt habe:

  • Ist der Synthesizer nur für Ambient-Musik geeignet? Nein. Er eignet sich besonders gut für Atmosphären, funktioniert aber auch in experimentellen Techno-, Noise- oder Popkontexten, sofern man bereit ist, Textur über klassische Tonalität zu stellen.
  • Wie hoch ist die Einstiegshürde? Mittel bis hoch. Wer bereits Grundlagen der Signalflusslehre kennt, kommt schneller voran. Für Anfänger lohnt sich das Studium von Tutorials und das Ausprobieren in kleinen Patches.
  • Ist er live-tauglich? Ja — wenn man den performativen Umgang mit Rückkopplung und spontanen Modulationen übt. Stabilität und Soundqualität sind dafür vorhanden.
  • Sind die Module teuer? MakeNoise positioniert sich im mittleren bis oberen Segment. Der Preis spiegelt die Verarbeitung und das Designkonzept wider, ist aber keine reine Luxusausgabe.

Persönliche Anmerkungen zur Synästhesie zwischen Bild und Klang

Für meine Arbeit auf Nebl Nebl (https://www.nebl-nebl.de) ist dieses Instrument ein Geschenk: es ermöglicht mir, visuelle Stimmungen akustisch zu übersetzen, ohne die Bilder zu überfrachten. Wenn ich ein Foto in Klang übertrage, suche ich nicht nach „Übersetzung“ im wörtlichen Sinn, sondern nach einer Gefühlsverwandtschaft. Der MakeNoise-Synthesizer unterstützt genau diese Poetik — er erzeugt Atmosphären, die sich anfühlen, als wären sie bereits in den Bildern geschlummert.

Beim Arbeiten mit diesem System frage ich mich oft, welche Details ich im Klang lassen möchte und welche ich bewusst verwische. Diese Entscheidung ist ästhetisch und dramaturgisch: Nebel im Bild spricht von Geheimnis; im Klang kann das gleiche Prinzip Raum für Interpretation schaffen.

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