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Wie man aus alten Dias eine audiovisuelle Installation baut

Wie man aus alten Dias eine audiovisuelle Installation baut

Alte Dias haben für mich etwas zutiefst Melancholisches: kleine Fenster in vergangene Lichter, Farben, Räume, die über Jahrzehnte im Schimmel der Schubladen geschlummert haben. Als ich begann, sie in audiovisuelle Installationen zu verwandeln, war das weniger ein technisches Unterfangen als eine Einladung, diesen verborgenen Bildern neuen Atem zu schenken. Im Folgenden teile ich meine Herangehensweise — praktisch, sensorisch und offen für Experimente — damit auch du aus dem Fundus an Dia-Kästen eine atmosphärische Arbeit entstehen lassen kannst.

Warum Dias?

Für mich sind Dias besonders reizvoll, weil sie bereits eine lichtbasierte Materialität mitbringen: Transparenz, Körnung, Farbstiche, Kratzer. Diese Eigenschaften lassen sich sowohl visuell als auch klanglich übersetzen. Anders als bei digitalen Fotos gibt es eine physische Interaktion — das Einlegen, das Betrachten durch Projektion oder das Aufschlitzen der Trägerfolie — und gerade diese Handlichkeit lädt zu performativen Setups ein.

Was braucht man grundsätzlich?

Die Materialliste ist überraschend überschaubar. Hier die Essentials, die ich oft nutze:

  • Alte Dias (natürlich)
  • Scanner oder Dia-Scanner (z. B. Plustek OpticFilm oder ein Multi-Format-Flachbettscanner mit Durchlichteinheit)
  • Projektor(en): klassischer Diaprojektor für die analoge Ästhetik oder moderner DLP/LCD-Beamer für Flexibilität
  • Raspberry Pi oder Laptop für Steuerung und Video-Wiedergabe
  • Audio-Interface, Lautsprecher oder Verstärker
  • Kabel, Multikabel, ggf. DMX-Interface für Lichtsteuerung
  • Montagematerial: Rahmen, Projektionsflächen, Leuchtkasten, Schienen
  • Reinigungsutensilien: Druckluft, antistatische Bürsten, Mikrofasertücher
  • Erster Schritt: Auswahl und Vorbereitung der Dias

    Ich beginne mit einer zutiefst analogen Zeremonie: Sortieren. Dabei ordne ich Dias nach Farbwelt, Motiv oder Emotionen. Oft entstehen Themenreihen — Wasser, Fenster, Hände — die später die narrative Struktur der Installation bilden.

    Reinigen ist wichtig: alte Dias können Staub, Schimmelspuren oder Klebereste haben. Ich arbeite mit Druckluft und sehr weichen Bürsten, bei hartnäckigen Flecken mit Isopropanol (vorsichtig, an einer unscheinbaren Ecke testen). Handle mit Handschuhen, um Fingerabdrücke zu vermeiden.

    Digitalisieren oder analog belassen?

    Das ist eine der ersten Entscheidungen, die das Projekt prägt. Beide Wege haben Vorzüge:

  • Analog: Diaprojektoren (z.B. BUNDY, Braun) transportieren die Körnung und das flackernde Licht direkt ins Zimmer. Mechanische Karussells können als performatives Element dienen — das Geräusch des Wechsels ist Teil der Komposition.
  • Digital: Scans eröffnen vielfältige Bearbeitungs- und Synchronisationsmöglichkeiten. In meiner Arbeit scanne ich oft mit einem Plustek OpticFilm 8200i oder einem Flachbettscanner mit Durchlichteinheit, weil die Farbtreue und Detailauflösung für weitere Manipulationen sehr brauchbar sind.
  • Ich kombiniere häufig beides: Einige Dias laufen im Projektor, andere in digitaler Projektion, um einen Dialog zwischen Retro-Ästhetik und zeitgenössischer Bildbearbeitung zu kreieren.

    Bildbearbeitung: Subtilität statt Überwältigung

    Wenn du scannst, geht es mir nicht um perfekte Retusche. Vielmehr versuche ich, die patinahaften Qualitäten zu bewahren. In Photoshop oder Affinity Photo arbeite ich mit:

  • Farbkorrekturen (kurvig, aber zurückhaltend)
  • Dodging & Burning für Tiefen
  • Hinzufügen von feinem Filmkorn oder Rauschunterdrückung, je nach Wunsch
  • Für experimentelle Texturen verwende ich auch Bildstapelung oder verzerrende Filter, die später in Bewegung gesetzt werden (After Effects, Resolume oder VDMX sind hier meine Werkzeuge der Wahl).

    Klang: Wie man Dias hörbar macht

    Der spannendste Teil ist für mich die Übersetzung von Bild zu Klang. Es gibt mehrere Herangehensweisen:

  • Sonifikation: Du wandelst Bildinformationen direkt in Ton um — z. B. Helligkeitswerte als Frequenz oder Farbinformationen als Filterparameter. Tools wie Max/MSP oder Pure Data sind ideal dafür.
  • Field Recordings: Ich nehme Geräusche meiner Arbeitsweise auf — das Klicken des Projektors, das Blättern der Diakästen, das Summen des Verstärkers — und verarbeite sie zu rhythmischen Texturen.
  • Granularsynthese: Detailreiche Dias profitieren von granularen Klängen, die aus kurzen Sample-Schnipseln bestehen. Ableton Live mit dem Granulator-Device oder Grain states in Max sind hier sehr inspirierend.
  • Instrumentale Schichtung: Live-Spieler*innen (z. B. elektroakustische Gitarre, Field-Piano) können visuelle Ereignisse kommentieren oder kontrastieren.
  • Synchronisation und Steuerung

    Wenn Bild- und Tonereignisse eng verzahnt sein sollen, nutze ich eine Steuerungsebene. Möglichkeiten:

  • Laptop + Ableton Live: Clips für Bildsequenzen und Audio lassen sich via MIDI syncen.
  • Raspberry Pi: Für autarke Installationen setze ich Pi mit Python-Skripten oder piPlayer ein, der über GPIOs auch mechanische Projektoren ansteuern kann.
  • Max/MSP oder TouchDesigner: Für interaktive oder generative Systeme ist das meine bevorzugte Umgebung, weil sie Audio, Video und Sensorik zusammenführen.
  • Interaktivität und räumliche Anordnung

    Installationen leben im Raum. Ich experimentiere gern mit mehreren Projektoren, die überlappende Bilder erzeugen, oder mit leichten Schichten aus halbtransparentem Stoff, auf die projiziert wird. So entstehen Tiefenräume, in denen Zuschauer*innen wandern können.

    Sensoren (Ultraschall, PIR, Lichtschranken) ermöglichen Reaktionen: Bei Annäherung verändern sich Farbtemperatur oder Klangdichte. Eine einfache Variante realisiere ich mit einem Arduino, der MIDI-Signale an meinen Rechner sendet.

    Physische Präsentationsformen

    Neben Projektion mag ich Leuchtkästen (Lightboxes) aus Acryl, in die Dias eingelegt sind — ideal für ruhige, intime Momente. Alternativ funktionieren auch Großformatdiarähmchen auf Lichttischen, die ich mit dimmbaren LED-Panels beleuchte. Wenn du einen Vintage-Diaprojektor verwendest, achte auf Belüftung und Wärmeentwicklung — alte Dias können durch Hitze leiden.

    Tipps zur praktischen Umsetzung

  • Teste die Projektion in unterschiedlicher Distanz: Manche Dias entfalten erst bei leicht weicherer Schärfe ihren Zauber.
  • Anfängerkoffer: Kaufe eine preiswerte Diasektionen-Box, um verschiedene Formate zu testen (5x5, 20x20 mm).
  • Backup: Digitalisiere immer Kopien deiner Scans und speichere sie redundant (externe Festplatte, Cloud).
  • Doku: Fotografiere den Aufbau und notiere Einstellungen, damit du den gleichen Effekt reproduzieren kannst.
  • Beispiele aus meinen Projekten

    In einer Arbeit habe ich Dias in drei Schichten projiziert: Vordergrund sehr kontrastreich, Mittelgrund leicht verschoben, Hintergrund weich und coloriert. Klanglich korrespondierte das mit drei Ebenen: ein low-end-Drone, granulare Glocken und aufgezeichnete Mechanik. Besucher*innen berichteten, dass sich das Bild beim Hören "verschob" — genau diese synästhetische Wirkung suche ich.

    ElementBeschreibung
    Analoge ProjektionPhysische Körnung, performativer Wechsel, Geräuschkulisse
    Digitale ProjektionFlexibilität, Effekte, präzise Synchronisation
    LeuchtkastenIntime Betrachtung, stationäre Objekte

    Wenn du magst, kann ich dir beim nächsten Mal ein konkretes Setup mit Hardware-Links und Schritt-für-Schritt-Skripten für Raspberry Pi oder Max/MSP zusammenstellen — oder wir lassen die Dias einfach gemeinsam durch einen Projektor tanzen und hören, was passiert.

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